Seenotrettung ist international: Sogar als der Eiserne Vorhang Deutschland teilte, war dies nicht anders.
Vor 25 Jahren öffnete sich die deutsch-deutsche Grenze auch auf See. Der Zusammenschluss der Seenotretter aus Ost und West unter dem Dach der traditionsreichen Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) am 3. Oktober 1990 gilt als eine der gelungensten Aktionen der deutschen Wiedervereinigung.
Obwohl die DDR den Seenotrettungsdienst staatlich organisiert hatte, waren auch zwischen Poel und Ueckermünde weiterhin überwiegend Freiwillige im Einsatz. “Innerlich haben sich die meisten von uns auch während dieser Zeit der DGzRS zugehörig gefühlt. Laut sagen durften wir das allerdings nie”, blickt Rainer Kulack zurück. Er ist seit 45 Jahren Seenotretter und seit 25 Jahren Vormann der Station Kühlungsborn.
Zwar waren alle Bemühungen der 1865 gegründeten DGzRS, nach 1945 Kontakt zu ihren Stationen östlich Travemünde zu halten, vergeblich. Doch hatten auch die Seenotretter in der DDR das gleiche Ziel: Menschenleben zu retten. Dies verband sie – über alle Grenzen hinweg – mit ihren Kollegen im Westen. Im Einsatz auf See waren sie genauso auf sich gestellt und mussten eigenverantwortlich die richtigen Entscheidungen treffen – ein Stückchen Freiheit in einem sonst wenig freien Land.
Mit der Wiedervereinigung 1990, im Jubiläumsjahr 125 Jahre nach ihrer Gründung, übernahm die DGzRS wieder den Seenotrettungsdienst in Mecklenburg-Vorpommern. Größter Gewinn waren die hochmotivierten Besatzungen mit ihrer Erfahrung, Revierkenntnis und der Einstellung zu ihrer Aufgabe, die sich kein bisschen von der ihrer Kollegen im Westen unterschied. Nach wie vor gibt es unter ihnen Familien, die seit vielen Generationen Seenotretter stellen.
Den Seenotrettungskreuzer VORMANN JANTZEN stationierte die DGzRS im Herbst 1990 kurz nach der Wiedervereinigung in Warnemünde.
Bei aller Ähnlichkeit stellten sich den wiedervereinigten Seenotrettern sogleich außerordentliche Herausforderungen: Die veraltete Technik aus DDR-Zeiten war der neuen Zeit mit dem zunehmenden Seeverkehr nicht gewachsen. Für Vormann Wolfgang Rätzer war deshalb die Taufe seines Seenotrettungskreuzers VORMANN JANTZEN vor 25 Jahren zur Wendezeit eine Zeitenwende. “Mit so einem schnellen Schiff war ich noch nie zuvor unterwegs gewesen. Nach einer der ersten Fahrten bin ich einmal im Traum über die Wellen geflogen”, erinnert er sich. Sein neues Schiff war doppelt so schnell wie der DDR-Vorgänger und verfügte über Tochterboot, Feuerlöschanlage und Bordhospital.
Den Seenotrettungskreuzer VORMANN JANTZEN stationierte die DGzRS im Herbst 1990 kurz nach der Wiedervereinigung in Warnemünde.
Mit der VORMANN JANTZEN setzten die Seenotretter vor 25 Jahren nicht nur in technischer Hinsicht ein deutliches Zeichen: Die Stationierung des eigentlich für Grömitz vorgesehenen Kreuzers in Warnemünde unterstrich auch, dass dort mitnichten “alte Schuhe aus dem Westen aufgetragen” werden sollten. Und bewusst erhielt der Neubau den Namen des legendären Warnemünder Lotsenkommandeurs. Stephan Jantzen hatte von 1867 bis 1903 mit seiner Freiwilligen-Mannschaft rund 80 Menschen das Leben gerettet. “Die Namengebung war nach dem Geschmack unserer Besatzung und der Menschen in der Region”, sagt Rätzer.
Vormann Wolfgang Rätzer war bereits zu DDR-Zeiten Seenotretter. 1990 übernahm er den Neubau VORMANN JANTZEN.
Dank der Unterstützung zahlreicher Förderer im ganzen Land gelang es der DGzRS in nur vier Jahren, die DDR-Technik vollständig zu ersetzen. Heute sind 38 der 180 fest angestellten und rund 230 der 800 freiwilligen deutschen Seenotretter in Mecklenburg-Vorpommern im Einsatz. Vier hochmoderne ständig besetzte Seenotrettungskreuzer und 14 von Freiwilligen gefahrene Seenotrettungsboote sind zwischen Trave- und Odermündung stationiert.
Am 29. Mai, dem 150. Geburtstag der DGzRS, erhielt in Bremen das neue Seenotrettungsboot HENRICH WUPPESAHL seinen Namen. Es ist der erste Neubau für die Seenotretter auf einer Werft in Mecklenburg-Vorpommern seit 1990. Am 30. Mai wiederum wurde der neue Seenotrettungskreuzer ERNST MEIER-HEDDE getauft. Er erhielt den Namen des ehrenamtlichen Vorsitzers der Seenotretter, der seinerzeit von Land aus den Zusammenschluss der Seenotretter aus Ost und West vorbereitete.
Die VORMANN JANTZEN liegt 25 Jahre nach der Wiedervereinigung derzeit “hoch und trocken” in der hauseigenen Werft der Seenotretter in Bremen: Sie wird – wie turnusgemäß alle drei Jahre – für die nächsten harten Einsätze fit gemacht. Heute vertritt sie als Springer wechselnde andere Einheiten bei Werftzeiten. “Nach wie vor ist das Schiff gerade in Mecklenburg-Vorpommern sehr bekannt. Seine Geschichte wird nicht vergessen werden”, ist Wolfgang Rätzer überzeugt.