Die infrastrukturellen Engpässe im Hafenhinterlandverkehr spitzen sich verkehrsübergreifend zu und erfüllen alle beteiligten Akteure zunehmend mit Sorge. Dies war der einhellige Tenor auf dem vom Hafen Hamburg Marketing ausgerichteten Parlamentarischen Abend in Berlin unter Beteiligung von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und mit rund 150 hochrangigen Fachvertretern aus Politik, Wirtschaft und Verbänden.
Exemplarisch für das Risiko, das aus versäumten Infrastrukturinvestitionen erwachsen kann, stand aus aktuellem Anlass der Nord-Ostsee-Kanal (NOK). Die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt ist derzeit aufgrund von Schäden an den großen Schleusentoren für Schiffe mit einer Länge von mehr als 125 Meter voll gesperrt.
Ramsauer: Weg frei für die Ausschreibung zum Schleusenbau
Positive Signale zum NOK kamen von Seiten der Bundespolitik. Der anwesende Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer sagte zu, „Notreparaturen im höchstmöglichen Tempo vorzunehmen.“ Gute Nachrichten hatte er für den Bau der dringend erforderlichen fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel: Er versicherte, die Ausschreibung der Hauptbaumaßnahmen unverzüglich zu veröffentlichen, nachdem der Haushaltsausschuss jetzt grünes Licht für die um 65 Millionen Euro erhöhten Baukosten gegeben habe.
Scholz: Andere Bundesländer profitieren von einer guten Seehafenhinterlandanbindung
Für den Transhipmentverkehr des Hamburger Hafens bleibt der NOK als die mit Abstand wichtigste Wasserstraße ein Nadelöhr. „Es drohen Wiederholungen der augenblicklichen Situation, denn der Nord-Ostsee-Kanal ist den Anforderungen derzeit strukturell nicht gewachsen“, mahnte der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Olaf Scholz. Neben den Infrastrukturengpässen auf der Wasserstraße richtete er in seinem Vortrag das Augenmerk auf die Sicherung der Zukunft für Hamburg als einen der weltweit größten Eisenbahnhäfen. Er drängte nicht nur auf die Entlastung des Hamburg-nahen Eisenbahnknotens Maschen durch den Gleisausbau von Umfahrungen, sondern blickte auf eine bundesweit gute Anbindung. So machte er sich für den Ausbau der Ostroute stark, die von Uelzen über Stendal nach Regensburg führt. Damit profitierten auch andere Bundesländer von den Hamburger Bedarfsanmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan 2015, die auf die Verbesserung der Hafenhinterlandanbindungen abzielen. Als Ergebnis des bayerisch-hamburgischen Kooperationsprojektes „Hafen Hamburg 62+“ wurden im Container-Bahntransport zwischen Bayern und dem Hamburger Hafen Optimierungspotenziale ermittelt, die eine weitere Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene ermöglichen.
DB wirbt für Schienenausbau südlich von Hamburg-Harburg
Diese Ansicht teilte auch Ingulf Leuschel von der Deutschen Bahn AG. Er warb dafür, „bei den Schienenprojekten im Hafenhinterlandverkehr den Ausbau auch südlich des Landkreises Hamburg-Harburg voranzutreiben.“ Denn das Einzugsgebiet für die Verteilung der Güter reiche weit über Süddeutschland hinaus. So wirkten sich insbesondere die Kapazitätsengpässe der Räume Hannover, Fulda-Frankfurt und Würzburg-Nürnberg negativ auf den Schienenhinterlandverkehr aus. Eine Lösung für den Güterverkehr Richtung Süden sei der prioritäre Ausbau des Ostkorridors. „Durch diesen erhalten wir zusätzliche 40 Trassen pro Tag für Güterverkehre aus Hamburg Richtung Süddeutschland“, so Leuschel.
Roller: Protestaktionen verzögern und behindern Infrastrukturausbau
Weitere wichtige Infrastrukturprojekte für eine robuste Sicherung der Hafenhinterlandanbindung nannte die Vorstandsvorsitzende des Hafen Hamburg Marketing e.V. Claudia Roller mit dem Ausbau von Außen- und Unterelbe, Mittlerer und Oberelbe, Elbeseitenkanal, A 20, A 25, A39, Y-Trasse. Tiefe Sorge bereite ihr, dass viele der Maßnahmen über politische Lippenbekenntnisse nicht hinauskämen, einer politischen Beliebigkeit unterlägen oder dahindümpelten. Für wirtschaftlich untragbar hält sie, „dass sich die Planungszeiträume in absurde Größenordnungen verlängerten und die Kosten davon liefen.“ Diese Tendenzen verstärkten sich durch zunehmende Protestaktionen von Minderheiten. Peter Ramsauer bekräftigte dies am Beispiel der Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe, die durch einen Eilantrag von Umweltschutzverbänden gegen den Planfeststellungsbeschluss auf Eis liegt. „Immer häufiger gelingt es einer lautstarken Minderheit sich mit Verhinderungsaktionen gegen eine schweigende Mehrheit durchzusetzen“, prangert er an.
Herkenhoff: In Deutschland stehen die Zeichen auf Wachstum
Mit einem optimistischen Ausblick beendete Heiner Herkenhoff die Vortragsreihe. Er ist Beauftragter des Vorstands der Commerzbank, mit deren Unterstützung der Parlamentarische Abend stattgefunden hatte. Seine Einschätzung: „In Deutschland stehen die Zeichen für 2013 auf Aufschwung. Wenn die Eurokrise nicht wieder hochkocht, wird die freundliche konjunkturelle Entwicklung in den kommenden Jahre anhalten.“
Ein positives Fazit zog Henning Finck, Leiter der Vertretung der Handelskammer Hamburg in Berlin und Hafen Hamburg Marketing Repräsentant in Berlin, der durch den Abend führte: „Die Beiträge haben gezeigt, dass Hamburg und Berlin an einem Strang ziehen.“