Stunde Null: Vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg – für die Hapag und den Norddeutschen Lloyd begann zum zweiten Mal der Neuaufbau der Flotte.
8. Mai 1945, das offizielle Kriegsende heute vor 70 Jahren. Deutschland lag in Trümmern und auch die Hapag und der Norddeutsche Lloyd sahen sich einer Stunde Null gegenüber. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges schien es kaum Hoffnung mehr für die beiden norddeutschen Großreedereien zu geben. Die Siegermächte hatten entschieden, Deutschland von der Weltschifffahrt auszuschließen und dem Land zu untersagen, eine eigene Flotte aufzubauen. Alles, was von den Flotten deutscher Reedereien nach dem Krieg übrig war, wurde zerstört oder einbehalten.
Dem Norddeutschen Lloyd blieb keines seiner 64 Seeschiffe – 42 wurden versenkt, 21 mussten an die Alliierten abgeliefert werden und eines war während des Krieges auf abenteuerliche Weise nach Japan überführt worden. Die „Bogota“ wurde zwar Mitte 1950 an den Norddeutschen Lloyd zurückgegeben. 1945 aber verfügte der Lloyd nur noch über ein paar Seebäderdampfer, Leichter und Schlepper, die obendrein zum größten Teil stark beschädigt waren.
Die Hapag hatte im Laufe des Krieges sogar 106 Seeschiffe verloren – infolge von Kriegsereignissen, durch Zwangsverkäufe und durch die Alliierten, die nach Kriegsende sieben Schiffe versenkten und den Rest einbehielten. Von den Gebäuden beider Reedereien in Hamburg wie in Bremen waren fast nur noch Trümmer übrig: Die Hauptverwaltung, das Ausrüstungslager, die Passagierabfertigungsanlagen vom Norddeutschen Lloyd sowie der Technische Betrieb, der Kai- und der Hafenbetrieb der Hapag waren neben vielen weiteren Gebäuden und Anlagen komplett zerstört worden.
Beide Reedereien hatten außerdem den Großteil ihrer Mitarbeiter im Krieg verloren – viele waren als Soldaten an der Front gefallen. Vor dem Krieg beschäftigte die Hapag gut 13.000 Mitarbeiter, der Norddeutsche Lloyd gut 12.000. Den verbliebenen Seeleuten, Angestellten und Arbeitern mussten die Reedereien jetzt, 1945, „unter den gegebenen Verhältnissen“ bis auf wenige Ausnahmen kündigen.
Als die Hapag im Mai 1947 100 Jahre alt wird, heißt es denn auch im Jahresbericht: „Zum Feiern besteht kein Anlass. Zum zweiten Male in ihrer Geschichte hat unsere Reederei ihre gesamte Flotte durch einen Krieg verloren, das Lebenswerk von Generationen ist vernichtet.“ Zum zweiten Mal – bereits im Ersten Weltkrieg war die Flotte bis auf einige sehr kleine Schiffe verloren gegangen.
Das Ende? Nein – der Neubeginn, wenn auch in bescheidenem Maß.
Beide Reedereien nahmen ihre Geschäfte in sehr kleinem Umfang mit den verbliebenen Leichtern und Schleppern wieder auf. Sie eröffneten außerdem Restaurants, „um wenigstens einem Teil unseres Bedienungs- und Küchenpersonals eine neue Existenz zu ermöglichen“. Die Hapag übernahm zudem die Abfertigung und Verteilung von Paketen aus dem Ausland. Auch mit der Schifffahrt ging es langsam wieder bergauf: Die Hapag erwarb 1948 einen Seebäderdampfer, die „Vorwärts . Und einer der beiden dem Norddeutschen Lloyd verbliebenen Seebäderdampfer, die „Glückauf“, verkehrte von 1946 an zwischen den Ostfriesischen Inseln und dem Festland“ – der Beginn des Wiederaufbaus ihrer Flotte.
Das Kommando auf der nur 68 Meter langen „Glückauf“ hatte übrigens mit Gottfried Clausen der berühmte Kapitän des Lloyd-Segelschulschiffs „Kommodore Johnsen“, welches Clausen ums stürmische Kap Hoorn geführt hatte. Nun navigierte er einen Seebäderdampfer durch das Wattenmeer.
Von 1947 an fielen nach und nach die Verbote, die Deutschland von der Weltschifffahrt ausschlossen. 1949 waren schließlich alle Einschränkungen aufgehoben und damit der Grundstein für den erneuten wirtschaftlichen Erfolg der Hapag und des Norddeutschen Lloyds gelegt. Beide schlossen sich dann 1970 zu Hapag-Lloyd zusammen.