Das Aufschwimmen
Der gesamte Prozess des Aufschwimmens wird ca. sechs bis sieben Tage dauern.
Nach erfolgreichem Abschluss wird sich das Schiff in einer stabilen Schwimmlage befinden.
Die 30 stählenden Schwimmkästen (Caissons/engl. Sponsons), die auf beiden Seiten des Schiffs angebracht wurden, sind bei Beginn mit Wasser geflutet, welches sukzessive ausgepumpt wird. Durch die eingepumpte Luft entsteht eine Auftriebskraft, genügend um das Schiff zum Schwimmen zu bringen. In der dann neuen stabilen Schwimmlage wird das Schiff mit den Schwimmkörpern einen Tiefgang von ca. 17 Metern haben. Bei Beginn der Aktion lag der Tiefgang bei etwa 30 Metern.
Das Aufschwimmen erfolgt langsam und sehr kontrolliert. Jede Bewegung der des Schiffs wird beobachtet. Wichtig ist, dass alle Kräfte, die auf das Schiff wirken, gleichmäßig und kontinuierlich am Schiffskörper verteilt werden. Sensoren auf beiden Seiten des Schiffs übermitteln ständig Informationen an das Bergungsteam, welches das Verhalten des Schiffskörpers mit einer speziellen Software und in Echtzeit auswerten und notwendige Anpassungen vornehmen kann.
Durch die Regulierung des Wasserstands innerhalb der Caissons wird das Schiff in einer optimalen Lage gehalten. Die 30 Schwimmkästen gewährleisten dann die notwendige Schiffsstabilität um das Schiff abzuschleppen. So kann das Schiff zu seinem Bestimmungshafen zum kontrollierten Rückbau und Recycling geschleppt werden.
Für die Bergung des Schiffs haben die Experten zwei Arten von Schwimmkästen entwickelt und montiert.
Die erste Art der Caissons ist senkrecht am Rumpf montiert, Sie haben drei Kammern übereinander angeordnet. In der finalen Schwimmlage werden zwei dieser Kammern geflutet sein. Die dritte obere Kammer wird oberhalb der Wasserlinie mit Luft gefüllt sein und das Schiff stabilisieren wenn es sich von der Plattform löst.
Die Zweite Art der Caissons ist horizontal am Rumpf montiert, auch diese haben mehrere Abteilungen welche separat geflutet und gelenzt werden können. Somit kann die Stabilität mittels dieses effektives Ballastmanagement garantiert werden, gleichzeitig ergibt sich dadurch eine bessere Kontrolle der Schiffsbewegungen.
Die Schwimmkästen wurden unterschiedlich an den Rumpf des Schiffs montiert.
Auf der Backbordseite des Schiffs, welche nach der Havarie zunächst aus dem Meer ragte, wurden 11 der 15 Caissons vor dem Aufrichten des Schiffs, dem s.g. Parbuckling auf den Schiffskörper geschweißt. Diese wurden für diesen hochkomplexen Prozess des Aufrichtens mitgenutzt. Die 15 Schwimmkästen auf der Steuerbordseite und die letzten vier auf der Backbordseite wurden seit Anfang April dieses Jahres montiert, nachdem die Costa Concordia aufrecht auf der Unterwasserplattform stand und somit beide Schiffsseiten zugänglich waren.
Am Bug des Schiffs wurden zu beiden Seiten des Schiffsbugs je zwei große Schwimmkörper an zwei s.g. „Bilster Tanks“ montiert. Diese Blister Tanks waren bereits vor dem Parbuckling angebracht worden. Diese Konstruktion verleiht dem Bug des Schiffs den zusätzlich notwendigen Auftrieb und dient als Versteifung. Das gleiche System wurde angewandt, um die zwei Schwimmtanks auf der Backbordseite am Heck des Schiffs anzubringen.
Die anderen Schwimmtanks der Steuerbordseite werden mit insgesamt 36 Stahlkabeln und 56 Ketten in Position gehalten. Diese verlaufen um den Kiel des Schiffs herum auf die gegenüberliegende Backbordseite des Schiffskörpers. Um die Schwimmtanks in der richtigen Position halten zu können, ist jede der 92 Trossen/Ketten mit einem sogenannten „strand jack“ am Rumpf befestigt, einer Spezial-Hydraulik welche die notwendige Zugkraft reguliert.
Phasen des Aufschwimmens
Der Aufschwimmprozess kann in vier Phasen aufgeteilt werden.
Phase 1: Teilweises Aufschwimmen und Bewegung des Schiffs ostwärts
Zu Beginn des Prozesses ruht das Schiff auf den Plattformen und dem angepassten Meeresboden in einer Tiefe von ca. 31 Metern. Am ersten Tag wird der Schiffskörper mit Hilfe der Schwimmkästen zum Aufschwimmen gebracht und um ca. zwei Meter von den Plattformen angehoben. Anschließend wird er mit Hilfe von Schleppern ca. 30 Metern in östliche Richtung verzogen werden. Es wird davon ausgegangen, dass diese Phase 1 zwischen sechs bis acht Stunden dauern wird. Während dieser wichtigen Phase werden alle Schiffsbewegungen aller beteiligten Bergungs- und Support-Schiffe rund um das Schiff eingestellt. Am Ende der Phase 1 wird das Schiff sicher positioniert. Dies erfolgt mittels zweier Heckankersystemen und landwärts mit sechs Stahltrossen, welche an den Türmen 1, 9 und 12 an der Küstenseite festgemacht sind, (diese waren bereits bei erfolgreichen Parbuckling im Einsatz). Seeseitig wird das Schiff durch zwei Schlepper fixiert und zusätzlich wird es durch einen dritten Schlepper am Bug in Position gehalten.
Phase 2: Anbringen und Spannen der Ketten und Trossen sowie finale Positionierung der Schwimmkästen auf Steuerbordseite
Die Phase 2 wird ca. 2 Tage dauern und das Anbringen der letzten vier Ketten und sieben Trossen an den Steuerbord-Schwimmkästen S18, S12, S4 und das Spannen der Ketten an den Steuerbord Schwimmkästen S3, S4, S12, S14, S18 umfassen. Dabei werden 13 der insgesamt 15 Steuerbord Kästen in ihre finale Position abgesenkt. Dieser Prozess kann nur im schwimmenden Zustand ohne Kontakt zur Plattform und Meeresboden abgeschlossen werden.
Phase 3: Finales Aufschwimmen
In dieser Phase beginnt das eigentliche Aufschwimmen. Die Bergungsexperten werden schrittweise komprimierte Luft in die 30 Schwimmkästen pumpen und das darin enthaltene Wasser verdrängen. Die Caissons werden Schritt für Schritt entleert, der so erzeugte statische Auftrieb hebt das Schiff um 3 Deckshöhen angefangen von Deck 6 bis auf Deck 3. Die finale Aufschwimmposition wird erreicht sein, wenn Deck 3 schließlich wieder auftaucht. Phase 3 wird voraussichtlich 3 Tage andauern. Sobald die Decks langsam aus dem Meeresspiegel austauchen, wird verbliebenes Wasser ablaufen gelassen und alle erforderlichen Kontrollen durchgeführt. Das Schiff wird kontrolliert mit einer leichten Neigung in Richtung Backbord und in Richtung Heck aufgeschwommen, um das Wasser ablaufen lassen zu können. Am Ende dieser Phase wird der Rumpf etwa 14 Meter angehoben sein und ca. 17 Meter Tiefgang haben.
Phase 4: Finale Manöver und Abtransports des Schiffs von der Insel
Zu Beginn der Phase 4 werden alle notwendigen Kontrollen und Manöver durchgeführt, die es dem Schleppverband, bestehend aus dem Schiff der Costa Concordia und den Bergungsschleppern, erlauben, die Abfahrtsposition von der Insel Giglio einzunehmen, den Bug ostwärts ausgerichtet. Zwei Schlepper werden den Verband ziehen, während zwei Hilfsschlepper, einer pro Schiffsseite den Konvoi kontrollieren werden. Während dieser Phase, die etwas 4 Stunden andauert, wird es notwendig sein, den weiteren Hafenverkehr einzuschränken damit der Schleppverband das Gebiet sicher verlassen kann.
Sobald sich der Schleppverband in tiefen Wasser befindet, wird das Schiff inklusive aller angebrachten Schwimmkästen voraussichtlich folgende Gesamtgröße haben:
Gesamtlänge: | 289,6 Meter |
Größte Breite inkl. Caissons: | ca. 62,5 Meter |
Maximaler Tiefgang (inkl. Ketten unter dem Rumpf): | 18,5 Meter |
Nach erfolgreichem Aufschwimmen wird das Schiff unter Beachtung aller Auflagen aus dem Genehmigungsprozess zum finalen Zielhafen Genua Voltri abgeschleppt.
Der Kontrollraum
Der Aufschwimmprozess wird vom Remote Operations Center (ROC) gesteuert und geleitet. Der Kontrollraum befindet sich auf der Costa Concordia, hier laufen alle Kontroll- und Überwachungssysteme zusammen. Von hier aus werden die Füllstände der Caissons überwacht und gesteuert um somit jederzeit für die Schiffsstabilität, sowie die Verteilung der auf den Schiffskörper einwirkenden Kräfte garantieren zu können. Hierzu werden die Bergungsexperten ein speziell entworfenes Softwareprogramm einsetzen. Dank der in den Caissons befestigten Sensoren und dem Einsatz von Videokameras kann das ROC-Team jederzeit Status und Füllstand in jeder einzelnen Abteilung des Caission Systems steuern sowie den Zustand des Gesamtsystems in Echtzeit überwachen.
Senior Salvage Master Nick Sloane als Leiter und das gesamte ROC-Team von Ingenieuren und Technikern, welche das gesamte Projekt mitentwickelt und auch die bisherigen Arbeitsschritte betreut haben, werden die geplanten Aufschwimmvorgänge steuern und kontrollieren.
Sondereinsatzgruppen von spezialisierten Technikern stehen abrufbereit um einzugreifen zu können und ggf. notwendige Anpassungen an den Systemen, Technik und den Maschinen, die während des Prozesses eingesetzt werden, vorzunehmen zu können.
Schutz der Umwelt während des Aufschwimmens
Im Einvernehmen mit den Behörden wurde basierend auf einer sorgfältigen Risikoanalyse ein umfassender Umweltüberwachungs-Plan zur Anwendung während der gesamten Aufschwimmarbeiten entwickelt.
Zu den untersuchten Kenngrößen gehören die Dynamik der Wassermassen, die Richtung und Intensität der Strömungen und wesentlichen Parameter des Wassers wie Temperatur, Salzgehalt, Trübung, etc.. Auch nach Abschluss des Aufschwimmens werden weiterhin Stichproben genommen und die Qualität des Wassers untersucht. Geplant ist außerdem eine Überwachung der Unterwassergeräusche, während Walbeobachter nach Meeressäugetieren in der Nähe des Einsatzgebietes Ausschau halten werden.
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Vorbereitungen für das Aufschwimmen eine Reihe von vorsorglichen und risikomindernden Maßnahmen hinsichtlich des Wassers im Inneren des Schiffs umgesetzt worden sind. Dies beinhaltet das Umpumpen von 2.400 Kubikmetern Wasser auf das Festland, um es dort zu behandeln zu können.