Vom Schiffsjungen zum Kapitän: Seit mehr als 40 Jahren fährt Erwin Redeker über die Weltmeere – in diesen Tagen als Kapitän der „Dublin Express“ mit Kurs auf die Karibik.
Einmal im Leben als Kapitän auf der Brücke eines Schiffes stehen, davon träumte Erwin Redeker, als er als Schiffsjunge an Bord eines Stückgutfrachters des Norddeutschen Lloyd zum ersten Mal Seeluft schnupperte. „Damals habe ich noch das Deck geschrubbt“, erzählt der 62-Jährige. Mittlerweile ist er seit mehr als 20 Jahren als Kapitän auf den Weltmeeren unterwegs – und seit 2006 wieder an Bord von Hapag-Lloyd-Schiffen.
Mit „seinem Schiff“, der 281 Meter langen „Dublin Express“ (4.121 TEU) fährt er in diesen Tagen für Hapag-Lloyd im Liniendienst zwischen Hamburg und der Westküste Südamerikas. Der nächste Hafen ist Caucedo in der Dominikanischen Republik. Zuvor war das Schiff bei einem mehrwöchigen Aufenthalt im Trockendock einer Hamburger Werft gründlich überprüft worden. „Es wird Zeit, dass wir wieder auf See fahren“, sagt der passionierte Kapitän vor dem Auslaufen. Nach einer gewissen Zeit an Land zieht es Seeleute wie ihn einfach wieder aufs Meer hinaus.
Redekers besondere Faszination für die Seefahrt liegt in der Familie. Als Kind interessierte er sich schon für die Erzählungen seines Großvaters, der zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg für Hapag und den Norddeutschen Lloyd in Kolumbien tätig war. Dort wurde auch Redeker geboren. „Mein Vater hat versucht, mich trickreich für die Seefahrt zu begeistern“, verrät er. „Er schlug mir drei Berufe vor: Bäcker, Schlachter – und Kapitän. Seiner Meinung nach waren das die krisensicheren Berufe der Zukunft. „Da ich allerdings nicht gern früh morgens aufstehen wollte und auch kein Blut sehen konnte, fiel die Entscheidung leicht“, schmunzelt er. Viel lieber wollte er die Welt entdecken.
Seine Karriere auf See begann im Sommer 1968 zunächst mit einer Ferienfahrt – einer längeren Schnupperreise für seefahrtinteressierte Jugendliche, wie sie der Verband Deutscher Reeder auch heute noch anbietet. Auf der „Breitenstein“, einem 150-Meter-Frachter des Norddeutschen Lloyd, fuhr Redeker damals über den Atlantik und zurück. Drei Jahre später folgte die erfolgreiche Bewerbung bei Hapag-Lloyd und kurz darauf die erste große Reise als Schiffsjunge auf dem Ausbildungsschiff “Holstenstein“. Um Kapitän zu werden, holte Redeker seine Mittlere Reife und das Abitur nach, absolvierte die Fahrtzeit als Nautischer Offiziersassistent (NOA), das Nautik-Studium in Bremen und arbeitete sich anschließend vom dritten Offizier zum Chief Mate (Erster Offizier) hoch. Im Alter von 40 Jahren erfüllte sich schließlich sein Traum: Er wurde zum Kapitän ernannt. „Vom Schiffsjungen an habe ich alle Stationen an Bord durchlaufen und von der Pike auf gelernt“, sagt Redeker nicht ohne Stolz. Seine wertvollen Erfahrungen gibt er heute gern an junge Offiziere weiter.
Während seiner Karriere hat Redeker hautnah miterlebt, wie rasant sich die Schifffahrt verändert hat. Er kennt noch die Zeit, als Stückgutschiffe die Weltmeere dominierten. Seit der Erfindung des Containers und der Containerschiffe sei das Leben an Bord allerdings erheblich schneller geworden: „Die Containerisierung hat schon ein Stück der Seefahrerromantik genommen.“ Der Kapitän erinnert sich deshalb besonders gern an jene Zeit, die er an Bord von Stückgutschiffen verbrachte. Damals waren die Liegezeiten in den Häfen noch wesentlich länger. „Es war deshalb auch leichter möglich, an Land zu gehen und exotische Inseln wie Mauritius oder die Seychellen auf Touren zu erkunden, bevor das Schiff wieder auslief“, schwärmt er.
Im nächsten Jahr wird Kapitän Redeker die Brücke wohl für immer verlassen und in den Ruhestand gehen. Dann will er sich seinen Hobbies Segeln, Fahrradfahren und Modellflugzeugen widmen. Und mehr von Deutschland sehen – denn den Rest der Welt, vor allem die Häfen, die kennt er ja bereits wie seine Westentasche.