Im Rahmen des 824.Hamburger Hafengeburtstages besucht das Segelschulschiff „Gorch Fock“ vom 7. Mai bis 13. Mai 2013 die Hansestadt. Offiziell ist es der 8. Besuch in den 55 Jahren seit Indienststellung, dass das legendäre Schiff den Weg nach Hamburg genommen hat. Der letzte Besuch war 2010, damals noch mit Kapitän Norbert Schatz.
Am 7. Mai 2013 gegen Mittag… bei der Vorbeifahrt an Hamburg-Blankenese begrüßte der Schulchor der “Gorch Fock“ Grundschule das Segelschiff mit Seemannsliedern. Kurz nach der feierlichen Begrüßung legte sie an den Landungsbrücken an. Der neue Kapitän zur See, Helge Risch, der das Kommando seit August 2012 innehält, lud zum Gespräch ein. Er bedankte sich für den „rührenden Empfang“. Auch für die Besatzung sei gerade der Aufenthalt in der Partnerstadt Hamburg ein besonderes Ereignis.
Die Hauptaufgaben, die Schwerpunkte des Segelschulschiffes, die sich über alle Jahre hinweg nicht geändert haben, sind Ausbildung, Repräsentation und Öffentlichkeitsarbeit. Die Offiziers- und Unteroffiziersanwärter der Marine lernen hier die theoretischen und praktischen seemännischen Tätigkeiten. Diese sind meist nur im Team, in einer Gruppe zu meistern und ermöglichen die Grundlagen für die späteren Berufszweige.
In der heutigen Zeit stellt sich die Frage nach dem Sinn der Ausbildung auf einem Segelschulschiff. Die Grundelemente der Seefahrt haben sich in den Jahrhunderten der Seefahrtsgeschichte nicht geändert. Die Naturelemente sind das Handwerkszeug. Die Charakterbildung, „gemeinsam in einem Boot zu sitzen“ und die anstehenden Aufgaben zusammen meistern ist mit das Wichtigste und Schwierigste der Ausbildung. Die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen werden gefordert und gefördert. Die Gemeinschaft, nicht das „Ich“, sind auf See unverzichtbar. Zurzeit befinden sich insgesamt 129 Besatzungsmitglieder an Bord. Die Frauen ziehen auch in diese Männerdomäne ein. Sieben junge Frauen stellen sich der psychischen und physischen schweren Aufgabe, diese Ausbildung abzuschließen.
Auch bei der letzten Generalüberholung des Schiffes im Jahr 2001 wurden keine Maschinen und Hilfsmittel verbaut, die z.B. zum Segelsetzen genutzt werden können. Wie zu alten Zeiten wird das Ruder nur mit Gestängen und Zahnrädern bedient. Es kommen auch bei den Takelagen und Segeln keine hydraulischen oder elektrischen Maschinen zum Einsatz. Daher ist die Ausbildung auf diesem Segelschiff so körperlich anstrengend. Wenn dann aber das Schiff mit gemeinsamer Kraft und Führung mit allen Widrigkeiten des Wetters und der körperlichen Grenzen, über ein Meer gefahren wurde, dann kann jeder der Auszubildenden auch sehr stolz auf die eigene Leistung sein. Es ergibt sich das Gefühl, eine sichere, fundierte Ausbildung, innere Führung und Stärke zu besitzen.
Die Ausbildung an Bord, nicht am Simulator, befähigt die Offiziere in ihren Einsatzgebieten später die Situationen besser einschätzen und meistern zu können. Dazu kommt, dass die Besatzung auch in fremden Ländern und Kulturen zu Gast ist und dort unseren Staat repräsentiert. So lernen sie und die Gastländer einander besser kennen und verstehen. Ein friedlicher Austausch ist möglich und zum Teil veraltete und überholte Sichtweisen über Deutschland können durch gezielte (Presse)Arbeit, widerrufen oder klar gestellt werden. Nach dem Kapitänsgespräch, welches schnell verging, war die Zeit wieder knapp berechnet. LKW’s mit Verpflegung für die nächsten Tage standen vor den Landungsbrücken und mussten entladen und das Schiff beladen werden. Da zeigte sich auch die bewährte Teamarbeit, ohne die es an Bord nicht funktionieren kann.
Zum Hafengeburtstag wird der „Gorch Fock“ die Ehre zuteil, die Einlaufparade am 10.5., unter vollen Segeln, anzuführen. Das stolze Schiff wird bis zum Montag, den 13. Mai, im Hafen Hamburg liegen um dann nach 173 Tagen, am Samstag den 18.Mai, zurück in ihrem Heimathafen Kiel zurückkehren. Sie hat dann auf dieser Reise, allein mit Muskelkraft und innerer Stärke des gesamten Teams, ca. 13.500 Meilen zurückgelegt. Für die Zukunft heißt es – Ausbildung und die Wertwieder und -weitergabe der seemännischen Grundlagen ist unverzichtbar für die Seefahrt.
Die Gorch Fock, ihre Schwesterschiffe und der Name
Die Geschichte der Gorch Fock geht zurück auf den 22. August 1880, als Johann Kinau das Licht der Welt erblickte. Sein Berufstraum – er wollte Ewerführer* werden.
Sein Traum erfüllte sich nicht. Er arbeitete als Buchhalter bei der Hamburg-Amerika-Line. Da ihn die Seefahrt jedoch nicht zur Ruhe kommen lies, begann er unter dem Künstlernamen “Gorch Fock”, hoch- und niederdeutsche Seemannsgeschichten zu schreiben. Zu seinen bedeutendsten Werken zählt die Erzählung: “Seefahrt in Not”.
Im ersten Weltkrieg diente er als Ausguck auf dem Kreuzer SMS Wiesbaden, welcher am 31. Mai 1916 in der Skagerrakschlacht versenkt wurde.
In einer Gewitterböe sank am 26. Juli 1932 das Segelschulschiff der Reichsmarine “Niobe”.
Die Admiralität sah nach wie vor die Wichtigkeit der maritimen Ausbildung auf Segelschulschiffen und erteilte Blohm und Voss, unter der Prämisse ein sicheres Schiff zu bauen am 02.12.1932 den Auftrag.
Am 03. Mai 1933 wurde das erste Schiff dieser Baureihe auf den Namen “Gorch Fock” getauft.
In den folgenden Jahren wurden, mit leicht verlängertem Rumpf, vier weitere Schiffe dieser Reihe gebaut.
Bis auf eines überstanden alle den 2. Weltkrieg.
Die Gorch Fock I (Kiellegung 14.01.1933) wurde am 01. Mai 1945 von der eigenen Besatzung vor Strahlsund versenkt, von sowjetischen Einheiten 1948 gehoben und Instand gesetzt. Bis 1995 fuhr sie unter dem Namen “Towarischtsch” als Schulschiff der sowjetischen Marine. Im Jahr 2003 kaufte der Verein “Tall-Ship-Friends” das Schiff und brachte es zurück nach Strahlsund, wo es als Museumsschiff besichtigt werden kann.
Die “Horst Wessel” ist das 2. Schiff der Baureihe und wurde am 15.02.1936 auf Kiel gelegt. Nach Ende des 2. Weltkrieges wurde es als Reparation an die USA abgegeben, wo sie bis heute als Schulschiff der US-Küstenwache, unter dem Namen “Eagle”, in Dienst steht.
Die “Albert Leo Schlageter” wurde am 15.07.1937 auf Kiel gelegt. Sie wurde von den Alliierten beschlagnahmt und nach Brasilien verkauft. Dort diente sie als Schulschiff unter dem Namen “Guanabara”, bis sie 1961 nach Portugal verkauft wurde. Dort fährt sie noch heute unter dem Namen “Sagres” zur Ausbildung des Marinenachwuchses.
Die “Mircea” wurde als 4. Schiff der Reihe 1938 für die rumänische Marine gebaut. Sie ist dort bis heute im Einsatz.
Am 07.11.1939 lief die “Herbert Norkus” vom Stapel. Sie wurde niemals komplett fertig gestellt. Sie lag in den Folgejahren im Hamburger Hafen und diente als Wohnschiff für Arbeiter. 1947 wurde sie durch die Alliierten mit Giftmunition beladen und im Skagerrak versenkt.
Die Gorch Fock II wurde 1958 für 8,5 Millionen DM gebaut und galt bei ihrer Indienststellung als das sicherste Schiff seiner Art. Mittlerweile sind 55 Jahre vergangen und sie wurde in vier Werftaufenthalten den heutigen Gegebenheiten, nach Besatzungsstärke und Technik angepasst. So gibt es an Bord mittlerweile eine Cafeteria, Klimaanlage, umweltfreundliche Dieselmotoren, moderne Funk- und Radaranlagen, sowie einen Frischwassererzeuger.
Wer nun an ein Kreuzfahrtsegelschiff denkt, liegt voll daneben.
*Ewer: Ein Einmannsegler mit Flachkiel und ein oder zwei Masten. Eingesetzt als Frachtschiff in der Küsten- und Flussschiffahrt
Mehr Bilder zur Gorch Fock und ein Video findet man << hier >>
(Gastautoren Anett & Jürgen Scholüke von madle-fotowelt)