Grenzen im Kopf verschwinden nicht so schnell wie Ländergrenzen. Zu dieser Erkenntnis kamen die Teilnehmer der Halbzeit-Konferenz des transnationalen EU-Logistikprojektes Amber Coast Logistics (ACL) Ende April in Kopenhagen, Dänemark. Die Wachstumspotenziale für Warenströme zwischen West-europa und der Ostseeregion sind trotzdem ungebrochen hoch.
Rund 60 Teilnehmer besuchten die Konferenz, organisiert von den ACL-Projektpartnern FDT-Association of Danish Transport and Logistics Centres aus Aalborg, Dänemark, Hafen Hamburg Marketing und dem Baltic Sea Forum, einem internationalen Verband, der das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenwachsen der Ostseeanrainerländer fördert. Anlass für die Veranstaltung: Eine Bestandsaufnahme zur Halbzeit des Projektes, das durch das Baltic Sea Region Programme der EU gefördert wird.
Vorträge und Diskussionen zwischen Referenten und Gästen der Konferenz drehten sich um die Fragestellung, mit der sich das Projekt ACL seit mehr als eineinhalb Jahren auseinandersetzt: Wie können nicht nur grenzüberschreitende Transporte, sondern auch persönliche Netzwerke zwischen Westeuropa und der Bernsteinküstenregion sowie ihren Anrainerstaaten wie Weißrussland und der Ukraine weiter ausgebaut werden?
Herausforderungen bewältigen, um Potenziale zu nutzen
Eine Studie des ISL – Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik aus Bremen im Auftrag der Amber Coast Logistics-Projektpartner hat ergeben, dass der Containerumschlag in den südöstlichen Ostseeländern von 3,4 Millionen TEU in 2011 bis zum Jahr 2030 stark steigen wird. Die Forschungsexperten gehen von einer Steigerung auf zwischen 8,6 Millionen und 9,9 Millionen TEU aus, die vor allem auf das schnelle Wirtschaftswachstum im Hinterland der Ostseeregion zurückzuführen ist.
Neben operativen Herausforderungen beim täglichen Transport von Waren, beispielsweise die Dauer der Zollabfertigung und die Wartezeiten an internationalen Grenzübergängen, stehen Wachstumsprognosen wie diesen vor allem gewohnte Denkweisen und Meinungen im Weg, so das gemeinsame Fazit der Teilnehmer der ACL-Halbzeit-Konferenz. „Eine der größten Herausforderungen ist es, die Einstellung von westeuropäischen Logistikunternehmern gegenüber dem weißrussischen Logistiksektor zu ändern. In erster Linie wird oftmals das politische System des Landes bewertet“, erläuterte Dzmitry Babicki, leitender Volkswirt des Forschungsinstituts Case Belarus aus Warschau, die Probleme belarussischer Logistikakteure. „Um aber den wichtigen Ausbau von Logistikzentren in Weißrussland weiter voranzutreiben und diese auch mit Leben zu füllen, sind ausländische Investitionen und Ansiedlungen westeuropäischer Unternehmen unbedingt notwendig,“ ergänzte Dr. Anatoly Molokovitch, Leiter der Logistikabteilung an der „School of Business and Management of Technologies” der weißrussischen Staatsuniversität.
Von Verkehrsverlagerungen profitieren
Ein ähnliches Problem benannte auch der ehemalige Transportminister Dänemarks, Flemming Hansen. Während seiner Amtszeit war er maßgeblich an den Verhandlungen rund um die Feste Fehmarnbeltquerung beteiligt, die auch dazu dienen soll, das durch die EU-Osterweiterung steigende Verkehrsaufkommen in Richtung Skandinavien zu bewältigen. „Von der neuen Fehmarnbeltquerung kann insbesondere der Verkehrsträger Schiene profitieren. Dazu muss es zu einer Verlagerung der Transporte von der Straße auf die Schiene kommen. Es wird wahrscheinlich lange dauern, das vorherrschende Verhalten, Güter mit Lkw und Fähre von und zur Ostsee sowie ins Hinterland zu transportieren, zu verändern“, so Hansen. Vor dem Hintergrund zunehmender Transportströme sei es außerdem notwendig, den Transportkorridor zwischen Skandinavien und dem europäischen Festland auszubauen. So sehe er beispielsweise Bedarf für einen KV-Terminal in Köge, Dänemark. Dieser könne als nordischer Hub fungieren.
Ein positives Beispiel für einen multimodal angeschlossenen Hafen, der im Zuge der steigenden Transportströme zwischen Ost- und Westeuropa immer stärker wächst, führte Thomas Elm Kampmann auf. Er ist Geschäftsführer des Scandinavian Transport Centre, das vier Kilometer vom Hafen Køge entfernt liegt. „Derzeit wird der Hafen Köge um mehr als das doppelte vergrößert. 400.000 Quadratmeter neue Fläche wird entstehen, von der schon jetzt rund 80 Prozent an Unternehmen vermietet sind“, so Kampmann. „In diesem Zusammenhang arbeiten wir daran, das Scandinavian Transport Centre zu einem der wichtigsten Verkehrsdrehscheiben für den kombinierten Verkehr in Dänemark auszubauen.“
Amber Coast Logistics:
19 Projektpartner aus Weißrussland, Dänemark, Deutschland, Lettland, Litauen und Polen sowie 25 assoziierte Partner haben sich im Rahmen des internationalen, EU-geförderten Projektes Amber Coast Logistics zusammengeschlossen, um das vorhandene Potential des Transport- und Logistiksektors in der südlichen und östlichen Ostseeregion zu stärken und zu nutzen.
Oberstes Ziel von Amber Coast Logistics ist es, den Aufbau multimodaler Logistikzentren in der südlichen und östlichen Ostseeregion zu unterstützen und dadurch die Erreichbarkeit entlegener Gebiete zu verbessern.