Es geht mit großen Schritten auf Weihnachten zu, da möchte der eine oder andere Enkel, Neffe oder Cousin vielleicht noch mit einem kleinen maritimen Geschenk beschert werden? Wir haben drei Schiffsquartette ausprobiert – erschwingliche Mitbringspiele, die in jede Tasche passen und außer für kurzweilige Unterhaltung auch für interessante Einblicke in die Welt der Schiffe sorgen.
Als wir selber noch klein waren und der heutige Nebenberuf noch nicht mal ein richtiges Hobby, haben sie uns so manchen Schulweg und so manche Große Pause verkürzt: Quartettspiele. Es waren die 80er Jahre, wir waren sieben oder acht, und „in“ waren eigentlich Autos, vielleicht noch Flugzeuge. Ich dagegen wurde mit Schiffsquartetten sozialisiert, doch auch dort galt: Es gewann, wessen Schiff größer, stärker oder schneller war, bis der Gegenspieler keine Karten mehr auf der Hand hatte. Manche technischen Daten haben sich auf diese Weise auf ewig ins Gedächtnis eingebrannt: die Höchstgeschwindigkeit von 30,5 Knoten einer „Finnjet“ etwa oder die 33.819 BRT-Tonnage einer „Europa“ von Hapag-Lloyd. Als man Teenager war, wurden die Schiffsquartette plötzlich uncool und die Gegenspieler rar; die Spiele wanderten in eine dunkle Ecke des Kinderzimmers. Was blieb, war jede Menge unnützes Wissen und die Erinnerung an schöne Tage in der Kindheit.
Wer jedoch gedacht hätte, die Tradition des Quartettspielens sei mit Smartphones, Nintendos und Netflix ausgestorben, der irrt. Quartettspiele gibt es noch immer, und zwar nicht nur für Autos, Flugzeuge und Nutzfahrzeuge aller Art, sondern auch das gute alte Schiffsquartett. Drei verschiedene habe ich kürzlich in einem Anfall von Nostalgie gekauft und zusammen mit dem eigenen Nachwuchs einem Praxis-Test unterzogen. Stimmen die technischen Daten? Sind die Schiffsnamen richtig geschrieben? Sind die Fotos auf dem neuesten Stand? Ein Testbericht.
1.„Schiffe“, Nürnberger Spielkarten Verlag (NSV), 1,99 €*
Das erste Spiel („für 2 bis 4 Spieler im Alter von 4 bis 100 Jahren“) enthält 32 Karten, davon vier Kreuzfahrtschiffe, vier Fähren und vier Schnellfähren. Unter diesen sind sogar relativ neue Schiffe wie die Tallink-Fähre „Megastar“ (die hier „Tallink Megastar“ heißt) und die „Norwegian Getaway“ (unter dem Namen „NCL Getaway“). Klassiker wie die „Maxim Gorki“ oder die „Vistafjord“ aus meinen 80er Jahren-Spielen würden gegen das Aufgebot aus dem Jahr 2019 allerdings ziemlich alt aussehen. Denn die “Queen Mary 2“ und „Allure of the Seas“ lassen so ziemlich jedes andere Schiff aus dem Quartett verblassen, egal ob in Sachen Tonnage (die hier zur „Verdrängung“ wird und in metrischen Tonnen angegeben wird), Länge oder Leistung. Die Daten der Kreuzfahrtschiffe stimmen übrigens, aber schon bei den Fähren schleicht sich der erste Fehler ein: Eine „SeaFrance Berlioz“ fährt schon seit 2012 nicht mehr unter diesem Namen, sie heißt inzwischen „Cote des Flandres“. Hierzu muss man allerdings sagen, dass die Spiele-Verlage schon in der Vergangenheit bei einer Neuauflage ihres Quartetts meist lediglich einige wenige Karten ausgetauscht und dem ganzen Quartett ein neues Titelbild verpasst haben, während die Mehrzahl der Karten unverändert blieb. Auf diese Weise haben es immer wieder „Karteileichen“ in die Reihen aktueller Schiffe geschafft. Dies wird bei den vier Schnellfähren deutlich, von denen weder eine „The Cat“ (heute „T&T Express“) noch eine „Spirit of Ontario I“ (heute „Virgen de Coromoto“) oder eine „Leonora Christina“ (heute „Betancuria Express“) mehr unter den Namen fahren, die sie auf den Fotos im Quartett tragen. Für Abwechslung ist jedoch gesorgt, zumal sich ein „Schwergewicht“ wie die „Allure of the Seas“ von jedem besseren Kriegsschiff in Geschwindigkeit schlagen lässt und jede Schnellfähre zwar fix unterwegs ist, aber leider weder besonders lang noch breit ist. Auf dem Titelbild kreuzt übrigens die „Cape St. George“, ein schnittiges Patrouillenboot der australischen Küstenwache.
2. „Schiffe“, Altenburger Spielkarten (ASS), 2,19 €*
Quartett Nr. 2 ist laut Hersteller erst ab 6 Jahren, aber so genau sollte man diese Angaben nicht nehmen. Wer Zahlen lesen kann, kann mitspielen. „Titelmädchen“ ist in diesem Fall der 2012 gebaute Container-Riese „CMA CGM Marco Polo“, eines der größten Schiffe seiner Art weltweit. Auch in diesem Spiel bilden jeweils vier Schiffe eines Typs ein Quartett, die Zuordnung ist aber mitunter eigenwillig. So gesellen sich zu den Fähren „Superstar“ (seit 2017 „Pascal Lota“) und „Kat Express 1“ (seit 2017 nur noch „Express 1“) ein Passagier-Katamaran und ein Autotransporter, während die drei Kreuzfahrtschiffe Gesellschaft von der „Foryd Bay“ bekommen, einem englischen Windfarm-Versorgungsschnellboot. Das Line-Up der Kreuzfahrtschiffe ist nichtsdestotrotz eindrucksvoll: Neue Mega-Kreuzfahrer wie die „Norwegian Joy“ und die „Quantum of the Seas“ sind hier vertreten, aber auch kleine, feine Schiffe wie die „Fram“ von Hurtigruten oder die „Tu Moana“ (die allerdings schon 2009 zur Privatyacht „Serenity“ umgebaut wurde). Die Vermessung wird in diesem Quartett korrekt in Bruttoraumzahl (BRZ) angegeben, und statt in fünf können sich die Schiffe hier in sechs Kategorien miteinander messen. Hinzugekommen ist die Besatzungsstärke, die zwischen 3 (besagter „Foryd Bay“) und 1.817 („Norwegian Joy“) schwankt. Ansonsten machen es in diesem Spiel selbst den großen Kreuzfahrtschiffen noch größere Containerschiffe und Öltanker schwer – neben der „CMA CGM Marco Polo“ auch eine „Maersk McKinney Møller“ oder eine „COSCO Guangzhou“. Die Erweiterung um eine Kategorie macht dieses Spiel abwechslungsreicher; unsere Testpartien haben jedenfalls wesentlich länger gedauert als bei dem Konkurrenten aus dem Hause NSV (siehe oben).
3. „Ozeanriesen“, Ravensburger Verlag, 2,79 €*
Im renommierten Ravensburger Verlag werden die „Schiffe“ zu „Ozeanriesen“ – ein Titel, der sich natürlich besser verkauft, aber auf Wasserfahrzeuge wie die kleine „Maria S. Merian“ (ein deutsches Forschungsschiff) oder die „Windea Leibniz“ (ein ebenfalls deutscher Offshore-Versorger) nur bedingt zutrifft. Auch hier bilden je vier Kreuzfahrtschiffe, vier Fähren und vier Schnellfähren jeweils ein Quartett, wobei es mit dem einen oder anderen Schiff aus den vorangegangenen Spielen (wie der „Color Fantasy“, der „Megastar“ oder der „AidaDiva“) ein Wiedersehen gibt. Unterschiedliche Kategorien gibt es bei dem Ravensburger-Spiel wieder nur fünf, die Mindestteilnehmerzahl gibt der Verlag mit drei Spielern an. Neueren Baujahrs ist unter den Kreuzfahrtschiffen die „Genting Dream“ (2016), ansonsten wird auch hier schnell klar, dass sich niemand die Mühe gemacht hat zu überprüfen, ob die abgebildeten Schiffen tatsächlich immer noch unter dem Namen fahren, den sie auf dem Foto tragen. Der Fachmann erkennt z. B. sofort, dass die Schnellfähre „Norman Arrow“ schon 2012 verkauft worden ist, dass eine „Alakai“ nur eine kurze und höchst erfolglose Einsatzzeit unter diesem Namen hatte und dass auch der Redereiname „Minoan Lines“, den die „Cruise Olympia“ auf dem Foto der Quartettkarte trägt, mittlerweile Geschichte ist. Interessanterweise hebt Ravensburger farblich hervor, wenn eines der Schiffe in einer der fünf Kategorien unschlagbar ist. Die „Oasis of the Seas“ hat dieses Glück in gleich zwei Bereichen (BRZ und Breite), der „Alakai“ dagegen kann niemand in Sachen Geschwindigkeit das Wasser reichen. In punkto Leistung und Länge haben aber auch hier die großen Containerschiffe die Nase vorn: bei der Leistung die „CMA CGM Marco Polo“ und bei der Länge die „Emma Maersk“. Mit der 2013 gebauten „Oceanex Connaigra“ hat es überdies auch ein ConRo-Schiff in das Quartett geschafft – ein Schiffstyp, der ansonsten zwischen all den Luxuslinern, Containerschiffen und Schnellfähren wenig Beachtung findet. Leider kommt das Ravensburger Schiffsquartett im Gegensatz zu den beiden anderen nur in der Pappschachtel anstatt im Klarsichtetui daher, was seinen Wert als Geschenk ein wenig mindert.
Fazit
Eine klare Kaufempfehlung können und wollen wir an dieser Stelle nicht aussprechen. Natürlich deckt sich nicht jede technische Angabe auf den Spielkarten mit den Werten der Bauwerft oder der einschlägigen Fachliteratur. Aber das gilt auch für so gut wie jeden Prospekt der Reedereien und Reisebüros. Und auch dass einige Fotos aktueller sind als andere bzw. dass einige ältere Schiffe schon seit vielen Jahren nicht mehr unter genau diesem Namen fahren, sollte man den Spiele-Verlagen nachsehen. Am Ende geht es bei dieser Art Spiel um eine möglichst bunte Vielfalt an Schiffen und Schiffstypen, damit der Spielverlauf abwechslungsreich ist. Dies ist allen drei Herstellern gelungen, so dass einem kurzweiligen Vergnügen auf dem Weg zur Schule oder am Wochenende auf dem Sofa nichts im Wege steht. Und wer weiß, vielleicht brennt sich ja auch der jüngsten Generation von Spielern die eine oder andere Angabe für immer ins Gedächtnis ein. Die Breite einer „Oasis of the Seas“ etwa (60,5 Meter), die Geschwindigkeit einer „Megastar“ (27 Knoten) oder die Besatzungsstärke einer „Norwegian Joy“ (1.817 Personen). Dann können auch die Jüngsten von heute in 30 Jahren gegenüber ihren eigenen Kindern mit allerhand unnützem maritimem Wissen prahlen!
* = unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers