Hunderttausende Menschen fliehen jährlich über das Mittelmeer nach Europa, mehrere Tausend davon überleben diese Reise nicht. Nicht nur zugucken, sondern aktiv werden will die Organisation „Jugend Rettet“. Aktuell wird, der vor kurzem gekaufte, ehemalige Fischtrawler in Emden für die Seenotrettung vorbereitet. Schon in wenigen Wochen soll es losgehen.
EMDEN. Es ist ein nicht alltäglicher Auftrag für die Emder Werft- und Dock GmbH (EWD): Aus dem Maschinenraum ertönt lässige Musik, an Bord eines alten niederländischen Fischtrawlers arbeitet eine Handvoll Studenten an ihrem großen Projekt. Es handelt sich um Mitglieder des Vereins „Jugend Rettet“, der den Menschen die über das Mittelmeer nach Europa fliehen „eine Chance geben möchte“ und Seenotrettung betreiben will. Nach der großen Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa kam dem 19-jährigen Jakob Schoen aus Berlin im Juni 2015 die Idee eine unabhängige Organisation zu gründen. Es bildete sich ein Kernteam aus 11 jungen Erwachsenen, zum Großteil Studenten. Schnell wurde dann ein Botschaftersystem aufgebaut, weitere Mitstreiter gefunden, Kontakt zu ähnlichen Organisationen und Experten geknüpft und 80.000 Euro zusammengesammelt. Durch eine großzügige Privatspende in Höhe von 150.000 war der Schiffskauf möglich.
Vor kurzem wurde dann das passendende Schiff dafür gefunden, welches den Anforderungen entspricht. Es wurde 1962 gebaut, ist 33 Meter lang und 6,80 Meter breit. Es sei für die Arbeit mit Menschen prädestiniert, so hat es eine tiefe Bordwand und viele Crewkabinen. Zudem stimme einfach das Preis-Leistungs-Verhältnis erklärt Pauline Schmidt, Pressesprecherin und Koordinatorin Öffentlichkeit. Die „Iuventa“ (lateinisch für Jugend), wie das Schiff nun heißt, ist nach der Überführung aus Stellendam am vergangenen Mittwoch in Emden eingelaufen. Die Emder Werft sei sehr freundlich und kooperationsbereit gewesen. Der Werftaufenthalt wurde teilweise vergünstigt angeboten, Azubis z.B. von VW und der Firma Briese helfen beim Umbau mit und das Team wurde im Seemannsheim herzlich aufgenommen.
Bei der EWD müssen eine Reihe von Instandsetzungs- Kontroll- und Umbauarbeiten erledigt werden, erfolgte der letzte große Werftaufenthalt schon 1991. Teilweise von Facharbeitern der Werft, aber großteils von den jungen Mitgliedern des Vereins wird hier unter anderem der Bordkran überholt und neue Bereitschaftsboote montiert. Das Unterwasserschiff wird abgestrahlt, neu gestrichen und mit Anti-Fouling-Farbe versehen. Es wurde der Propeller gesäubert, was Kraftstoff einsparen soll, die Anker samt Zubehör geprüft und neu bemalt sowie die Seeventile ausgebaut und komplett überholt. Auf der Brücke wurden ebenfalls sämtliche Geräte überholt und auch das Deck wurde abgeschliffen, neu bemalt und Roststellen entfernt. „Ganz schön viel zu tun auf so einem Schiff“, fasst Arne Doms, Umbauleiter, zusammen. Noch etwa zwei Wochen dauert der Umbau, danach folgen noch einmal zweieinhalb Wochen für die Überführung nach Malta. „Das passiert jetzt, genau jetzt, wir dürfen keine Woche verlieren“, sagt Pauline Schmidt.
Eineinhalb Missionen im Mittelmeer von einer Dauer von drei Wochen, davon zwei Wochen auf See und eine im Versorgungshafen sind bereits finanziert. Die Kosten pro Monat betragen 40.000 Euro. Einsatzgebiet ist die zentrale Mittelmeerroute zwischen der Küste Libyens und Italien. Dort, wo die Menschen am laufenden Bande sterben. An Bord werden freiwillige Ärzte und Nautiker sein. Sichtet man eines der Flüchtlingsboote, wird das Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) in Rom kontaktiert. Das Ziel der „Iuventa“ ist nicht unbedingt die Aufnahme der Menschen, sondern die Stabilisierung der Lage vor Ort. „Jugend Rettet“ will zum Beispiel medizinische Versorgung übernehmen, Rettungswesten und Wasser verteilen. Gerettete Personen sollen in „europäische Strukturen übergeben werden“ und in Italien an die verschiedenen Einrichtungen, darunter das Rote Kreuz und Seenotrettungsvereine. „Das Projekt ist erfolgreich ab dem Moment wo wir die erste Person gerettet haben.“
Ziel sei es zum einen Menschen zu retten, aber auch Druck auf die Regierung auszuüben. „Wenn wir das schaffen soll das zeigen, dass jeder andere und besonders die deutsche Regierung mit ihren Mitteln das auch schafft“. Die Mitglieder von „Jugend Rettet“ möchten damit Ihre Haltung als Zivilbrüger zum Ausdruck bringen und können sich dieser Politik nicht anschließen.
Natürlich hätte es auch schon fremdenfeindliche Reaktionen gegeben, aber die jungen Erwachsenen lassen sich nicht in ihr Projekt reinreden. Sie wollen nicht nur zugucken, sondern aktiv werden.
So können Sie „Jugend Rettet“ unterstützen: Spenden Sie, werden Sie Crewmitglied oder helfen Sie jetzt beim Umbau in Emden.