Schon als Schüler zerlegte er seinen Taschenrechner, um zu verstehen, wie er funktioniert. Heute fasziniert ihn eher große Technik. Denn Marcus Nehls arbeitet als Zweiter Ingenieur auf der „Antwerpen Express”.
Die „Maschinesen“, so wird die Maschinencrew mitunter liebevoll, aber auch ein bisschen spöttisch von nautischen Offizieren an Bord genannt. Wer unter Deck arbeitet, so das Vorurteil, sieht wegen des fehlenden Sonnenlichts blass, dafür ein bisschen ölverschmiert aus – und ist gemeinhin wortkarg. Und so beeindruckt von Kolben oder Kompressoren, dass es an Land nicht jeder gleich versteht.
Dann begegnet man einem wie Marcus Nehls, und die vorschnellen Urteile geraten ganz schön ins Wanken. Nehls, 32 Jahre alt, ist Zweiter Ingenieur auf einem der größten Schiffe von Hapag-Lloyd, dem 13.200-TEU-Riesen „Antwerpen Express“. Und nicht nur auffallend freundlich, unkompliziert und offen, sondern auch ein Ingenieur, der gern und gut fotografiert oder zu Hause kocht – mit Vorliebe orientalische Klassiker wie Falafel, Halloumi-Käse oder Petersiliensalat. Natürlich kann Marcus Nehls auch nachvollziehbar fasziniert von der elektronisch gesteuerten Hauptmaschine an Bord erzählen, elf Zylinder, 71.000 PS, fünf Etagen hoch. Aber der Reihe nach.
Geboren ist er in Berlin-Reinickendorf, seine Eltern sind Beamte. Ein krisenfester Job, aber für Nehls keine Option. Er schaute sich als Abiturient bei einem Schnupper-Wochenende lieber die Marine an. Danach stand sein Entschluss fest: Schiff ja, Uniform nein. „Der militärische Drill wäre nicht meine Sache gewesen.“ Schon als Schüler zerlegte er seinen Taschenrechner, um zu verstehen, wie der funktioniert. Heute fasziniert ihn große Technik, „die Gesamtheit des Systems Maschine“, sagt Nehls. Als „Zweiter Ing“ verteilt er neben dem Chief Engineer, dem Leiter der Maschine, die Aufgaben der fünfköpfigen Maschinencrew und verantwortet die Wartung.
Seit 2003 ist der Berliner bei Hapag-Lloyd, er begann als Schiffsmechaniker-Lehrling. Der Ausbildung folgte ein Studium in Warnemünde. Als Abschlussarbeit baute er einen Versuchsmotor, um das Laufverhalten von Kolben in Vier-Takt-Motoren zu erforschen. „Den Motor dafür fand ich in einem Schuppen der Hochschule“, erzählt Nehls. „Es hat ganz schön gedauert, bis er wieder lauffähig war und alles funktionierte.“
Seit 2011 ist Nehls Zweiter Ingenieur, mit der „Antwerpen Express“ fährt er derzeit im Fernost-Dienst. Rotterdam, Yantian, Ningbo oder Singapur heißen die Häfen – wobei er Letzteren besonders schätzt: „Das ist noch einer in Stadtnähe, in dem manchmal die Zeit für einen kurzen Landgang reicht.“ Am liebsten aber mag er Halifax in Kanada: „Ein traumhaftes Revier, und eine schöne kleine Stadt zum Ausgehen.“ Zu Hause bereitet Nehls das orientalische Essen übrigens gemeinsam mit seiner Frau zu, einer studierten Ägyptologin. Wenn er mal nicht mit ihr unterwegs ist auf seiner Honda VFR 800 auf den Alleen rund um Berlin.