Jahreseinsatzbilanz: 768 Menschen aus Seenot gerettet und Gefahr befreit / Deutsche Kammerphilharmonie Bremen neuer „Bootschafter“
Die Seenotretter der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) sind im Verlauf des Jahres 2014 insgesamt 2.183 Mal im Einsatz gewesen (2013: 2.081 Einsätze). Dabei haben die DGzRS-Besatzungen 768 Menschen aus Seenot gerettet oder Gefahr befreit (2013: 718). In diesem Jahr wird die DGzRS 150 Jahre alt. Die zentralen Jubiläumsveranstaltungen finden während einer „Woche der Seenotretter“ Ende Mai/Anfang Juni 2015 statt.
Neuer ehrenamtlicher Seenotretter-„Bootschafter“ ist die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter ihrem künstlerischen Leiter, dem estnisch-amerikanischen Dirigenten und Grammypreisträger Paavo Järvi. Musikkritiker und Konzertbesucher sind sich einig in ihrem enthusiastischen Urteil über das Orchester, das mit seinem außerordentlichen Klang weltweit Begeisterung auslöst. Am Abend des 150. Geburtstags der DGzRS, dem 29. Mai 2015, wird die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen das Jubiläumskonzert der Seenotretter in der „Glocke“ in Bremen spielen.
Das „Bootschafter“-Ehrenamt bleibt damit musikalisch: Das Orchester löst Sänger und Liedermacher Klaus Lage ab, der die Arbeit der Seenotretter mit großem Engagement begleitet und ihnen sogar ein Lied gewidmet hat: Der Seenotretter-Song „Volle Kraft voraus“ geht sofort ins Ohr. Aus dem Songtext spricht Klaus Lages Bewunderung für die nicht selten gefahrvolle Arbeit der Rettungsmänner und -frauen. Das Lied ist auf einer CD mit Audiotrack und zwei Musikvideos im Seenotretter-Shop zum Preis von zehn Euro erhältlich (www.seenotretter-shop.de, nicht im Handel).
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ist “Bootschafter” 2015 der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Bei der Pressekonferenz an Bord des Seenotrettungskreuzers HERMANN MARWEDE/Station Helgoland dabei (v. l.): Ulrike Höfs (Flöte), Bernhard Ostertag (Trompete), Beate Weis (Violine), Marc Froncoux (Cello) und Ulrich König (Oboe). Im Hintergrund ist der Seenotrettungskreuzer HERMANN HELMS/Station Cuxhaven zu sehen.
Am Dienstag, 27. Januar 2014, stellten Orchesterleitung und Musiker der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen an Bord des Seenotrettungskreuzers HERMANN MARWEDE die Einsatzzahlen der Rettungsflotte aus dem abgelaufenen Jahr vor:
2014 haben die Besatzungen der 60 Seenotrettungskreuzer und -boote in Nord- und Ostsee
- 55 Menschen aus Seenot gerettet,
- 713 Menschen aus drohender Gefahr befreit,
- 438 Mal erkrankte oder verletzte Menschen von Seeschiffen, Inseln oder Halligen zum Festland transportiert,
- 64 Schiffe und Boote vor dem Totalverlust bewahrt,
- 981 Hilfeleistungen für Wasserfahrzeuge aller Art erbracht sowie
- 569 Einsatzanläufe und Sicherungsfahrten absolviert.
In vielen Fällen griffen die Seenotretter frühzeitig ein und begrenzten so Schäden bereits im Vorfeld. Zudem sind sie 2.953 Mal in ihren Revieren zwischen Borkum im Westen und Ueckermünde im Osten auf Kontrollfahrt gegangen.
Darüber hinaus war die SEENOTLEITUNG BREMEN der DGzRS (Maritime Rescue Co-ordination Centre, MRCC BREMEN) in 221 Seenotfällen international im Interesse der deutschen Schifffahrt unterstützend oder initiativ tätig.
Einschließlich aller Such- und Rettungsaktionen sowie Kontrollfahrten haben allein die 20 Seenotrettungskreuzer (die 40 Seenotrettungsboote nicht mitgerechnet) im vergangenen Jahr 72.094 Seemeilen (ca. 133.519 Kilometer) in Nord- und Ostsee zurückgelegt.
Seit ihrer Gründung am 29. Mai 1865 bis Ende 2014 hat die DGzRS insgesamt 81.684 Menschen aus Seenot gerettet oder Gefahrensituationen auf See befreit. Das entspricht in etwa der gesamten Bevölkerung der Städte Villingen-Schwenningen oder Konstanz (Baden-Württemberg), Worms (Rheinland-Pfalz) und Velbert (Nordrhein-Westfalen) und übertrifft bereits deutlich die Einwohnerzahl von Marburg (Hessen) oder der gesamten Insel Rügen (Mecklenburg-Vorpommern).
Die Einsatzzahlen 2014 verteilen sich auf die einzelnen Küsten wie folgt:
Niedersächsische Nordseeküste
Die Besatzungen der an der niedersächsischen Küste stationierten Seenotkreuzer und Seenotrettungsboote haben bei 620 (2013: 604) Einsätzen zwölf (zwei) Menschen aus Seenot gerettet und 110 (98) weitere aus Gefahrensituationen befreit.
Schleswig-Holsteinische Nordseeküste
Die Stationen an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste registrierten 254 (289) Einsätze. Die dortigen Mannschaften retteten zwei (14) Menschen aus Seenot und befreiten weitere 34 (68) aus Gefahrensituationen.
Schleswig-Holsteinische Ostseeküste
An der Ostseeküste Schleswig-Holsteins waren die Seenotretter 797 (697) Mal im Einsatz. Sie retteten 25 (29) Menschen aus Seenot und befreiten weitere 304 (224) aus Gefahrensituationen.
Mecklenburg-Vorpommersche Ostseeküste
In Mecklenburg-Vorpommern waren die DGzRS-Rettungseinheiten zu 512 (491) Einsatzfahrten unterwegs. Ihre Besatzungen retteten 16 (20) Menschen aus Seenot und befreiten weitere 265 (263) aus Gefahrensituationen.
In den Bordtagebüchern geblättert
Zu den herausragenden Einsätzen des Jahres 2014 gehört die Rettung dreier Fischer von ihrem gekenterten 15-Meter-Kutter durch den Seenotkreuzer HERMANN HELMS in der Elbmündung vor Cuxhaven am 29. April.
Bereits am 21. März rettete die Besatzung des Bremerhavener Seenotkreuzers HERMANN RUDOLF MEYER eine Frau, die offenbar vom Nordenhamer Fähranleger in die Weser gestürzt war. Ohne Schutzkleidung und bei nur acht Grad Wassertemperatur erfolgte die Rettung buchstäblich in letzter Minute.
In der Nacht zum 20. Mai verletzte eine große Stichflamme aus dem Krabbenkutter zwei Fischer an Bord eines Kutters südwestlich von Amrum schwer. Der Seenotkreuzer VORMANN LEISS nahm einen Notarzt an Bord und barg die Männer ab. Der Landrettungsdienst brachte sie in eine Spezialklinik.
Dramatisch war auch die Situation am 18. Juni vor Kühlungsborn. Was wie Routine begann, entwickelte sich plötzlich zur Lebensgefahr für drei Angler auf der Ostsee. Mit Maschinenausfall hatten sich die drei orientierungslos bei den Seenotrettern gemeldet. Die Freiwilligen-Besatzung des Seenotrettungsbootes KONRAD-OTTO fand ihr Boot just in dem Moment, als es plötzlich über das Heck absackte und sank.
Besonders arbeitsreich war das zweite Augustwochenende für die Seenotretter. Knapp 70 Mal waren die Besatzungen der DGzRS für rund 130 Menschen auf Nord- und Ostsee im Einsatz. Allein die freiwilligen Seenotretter der Station Timmendorf/Poel zählten am Samstag sechs Einsätze innerhalb von acht Stunden.
Der großen Erfahrung und ausgeprägten Revierkenntnis der Wangerooger freiwilligen Seenotretter verdankt ein Jollensegler sein Leben. Am 12. September sank sein Boot vor dem Westende der Insel. Die starke Strömung zwischen den Inseln hatte den Schiffbrüchigen bereits auf die offene Nordsee hinausgezogen, als die Besatzung des Seenotrettungsbootes WILMA SIKORSKI ihn fand.
Gleich zwei Mal waren die Seenotretter in diesem Jahr für verirrte Rehe im Einsatz: Am langen Himmelfahrtswochenende rettete die Besatzung des Norderneyer Seenotkreuzers BERNHARD GRUBEN ein Reh aus dem Wattenmeer. Am 14. Oktober wiederum befreiten die Grömitzer Seenotretter einen jungen Rehbock mit see- und waidmännischem Sachverstand aus seiner ausweglosen Lage.
Eine der umfangreichsten SAR-Maßnahmen (SAR = Search and Rescue, Suche und Rettung) des Jahres 2014 war die Suche nach einem vermissten Fischer vor Lippe/Weißenhaus in der Hohwachter Bucht am 2. August. Trotz intensiver Suche mit vier Rettungseinheiten der DGzRS, Behördenschiffen und mehreren Hubschraubern konnte der Mann nicht mehr lebend gefunden werden.
Aus der Rettungsflotte
Zwei neue Rettungseinheiten werden im Jubiläumsjahr 2015 getauft und in Dienst gestellt. Auf der Werft Tamsen Maritim in Rostock entsteht – als erster Neubau in Mecklenburg-Vorpommern seit der Wiedervereinigung – die 20. Einheit der bewährten 9,5-/10,1-Meter-Klasse. Die Taufe ist für den 150. Geburtstag der DGzRS, den 29. Mai 2015, auf dem Bremer Marktplatz vorgesehen – in Anwesenheit des Schirmherrn der DGzRS, des Bundespräsidenten Joachim Gauck.
Neben dem Neubau soll ein historisches Ruderrettungsboot auf Ablaufwagen mit Pferdevorspann auf dem Markt zu sehen sein. Der Gegensatz der beiden Boote steht für die Entwicklung der Technik in 150 Jahren. Geblieben ist jedoch die freiwillige Bereitschaft der Besatzungen zum mutigen Einsatz bei jedem Wetter, rund um die Uhr. Ohne dies wäre die Arbeit der DGzRS auch heute nicht vorstellbar.
Auf der Werft Fr. Fassmer in Berne an der Unterweser wiederum entsteht das Typschiff einer völlig neuen 28-Meter-Klasse. Diese neuen Seenotrettungskreuzer sind als leistungsfähige Nachfolger der 27,5-Meter-Einheiten vorgesehen, der erste ist für die Station Amrum bestimmt und soll am 30. Mai 2015 in Bremerhaven getauft werden. Auf der Jubiläumswebsite www.150-jahre-seenotretter.de bittet die DGzRS um Spenden für diesen ganz besonderen Neubau. Dort gibt es ein Werft-Tagebuch mit 3D-Grafiken, Bildern und Videos vom Bau.
Wie alle Rettungseinheiten der DGzRS werden die neuen Schiffe im bewährten Netzspantensystem vollständig aus Aluminium gebaut, als Selbstaufrichter konstruiert und ausschließlich durch freiwillige Zuwendungen finanziert.
150 Jahre DGzRS – „Woche der Seenotretter“ 2015
Höhepunkte des Jubiläums werden neben den beiden Taufen ein Festakt im Bremer Rathaus am 29. Mai 2015 sowie eine sich anschließende „Woche der Seenotretter“ in Bremerhaven sein. Dort finden zeitgleich eine Messe für maritime Sicherheit sowie Konferenz und Kongress der International Maritime Rescue Federation (IMRF) statt. Bereits am 30. und 31. Mai werden zu diesem Forum des internationalen Zusammenschlusses der Seenotrettungsdienste zahlreiche Rettungsboote aus vielen Ländern in Bremerhaven zu besichtigen sein. Die DGzRS war erst ein Mal (1959) Gastgeber dieses Forums. Für den 30. Mai ist zudem eine spektakuläre Schiffsparade auf der Weser geplant.
In der Unteren Rathaushalle in Bremen wiederum wird vom 13. Mai bis 21. Juni 2015, täglich 10 bis 18 Uhr, eine große Sonderausstellung der Seenotretter zu sehen sein. Der Eintritt ist frei.
Viele Menschen verbinden mit den Seenotrettern eigene Erfahrungen, Erinnerungen, besondere Momente und Emotionen. Auf www.150-jahre-seenotretter.de ist Platz für persönliche Geschichten der Freunde und Förderer der DGzRS. Auch einige prominente Wegbegleiter der Seenotretter sind dort mit ihren Gedanken vertreten.
Nicht zuletzt gibt die Bundesrepublik Deutschland anlässlich des Seenotretter-Jubiläums ein Sonderpostwertzeichen mit dem Standardbrief-Portowert 62 Cent und eine Zehn-Euro-Gedenkmünze als gesetzliches Zahlungsmittel heraus. Für die DGzRS ist beides gleichermaßen Anerkennung ihrer Arbeit auf See und an Land sowie wertvolle Unterstützung ihrer Jubiläumsaktivitäten.
25 Jahre wieder in Mecklenburg-Vorpommern
In Mecklenburg-Vorpommern begeht die DGzRS 2015 ein weiteres Jubiläum: 25 Jahre zuvor kehrte sie auf ihre angestammten Stationen zwischen Poel und Ueckermünde zurück. Der Zusammenschluss der Seenotretter aus Ost und West gilt als eine der gelungensten Aktionen der Wiedervereinigung.
Innerhalb weniger Jahre glich die DGzRS seinerzeit den dortigen Rettungsdienst an den gewohnt hohen technischen Standard in der Deutschen Bucht und der Westlichen Ostsee an. Größter Gewinn waren seinerzeit die erfahrenen und revierkundigen Seenotretter aus dem Osten Deutschlands, die seither ihren Dienst unter der Flagge mit dem roten Hansekreuz fortführen.
Tag der Seenotretter 2015
Spendern, Freunden und allen Interessierten bietet die DGzRS auch am letzten Juli-Sonntag 2015 wieder die Gelegenheit, sich vor Ort ein Bild von der Einsatzbereitschaft ihrer Besatzungen und der Leistungsfähigkeit ihrer Rettungseinheiten zu machen: Am 26. Juli 2015 ist wie in jedem Jahr „Tag der Seenotretter“.– ergänzend zur „Woche der Seenotretter“ Ende Mai/Anfang Juni.