Der Hamburger Patrick Ludolph ist in Foto-Deutschland besonders durch seinen erfolgreichen Blog „Neunzehn72“ und andere Formate bekannt. Der Quereinsteiger fotografiert mit Pausen seit 1995 und bringt Anfängern und Fortgeschrittenen in Büchern, Workshops und über das Internet die Kunst der Fotografie bei. Über sein, wie er sagt, „größtes und wohl auch aufregendstes fotografisches Abenteuer“ berichtet er uns nun im Interview. In seinem neuen Buch „Seafarers“ (bei amazon bestellen) nimmt der sympathische Fotokünstler Interessierte mit in die Welt der großen Containerschifffahrt.
1. Wie sind Sie auf die Idee für das Projekt „Seafarers“ gekommen?
Ich bin 2013 schon mal auf einem Containerschiff von Antwerpen nach Hamburg mitgefahren. Das hat mich so angefixt, dass ich mehr wollte. Da ich aber Schiffe zwar spannend aber fotografisch nicht so ergiebig finde, wollte ich den Fokus mehr auf die Menschen an Bord legen. So entstand die Idee einmal eine Mannschaft auf ihrer Reise zu begleiten.
2. Auf welchen Routen, wie lange und mit welchen Schiffen von Hapag-Lloyd waren Sie unterwegs?
Insgesamt waren es knapp sechs Wochen. Mit der Leverkusen Express von Singapur nach Shanghai, mit der Valparaiso Express auf ihrer Jungfernfahrt von Valparaiso nach Cartagene und mit der Callao Express von Hamburg nach Le Havre.
3. Verraten Sie uns Ihre Eindrücke vom Leben der Seemänner an Bord der Containerschiffe?
Das Leben erscheint mir ständig zwischen extrem spannend und furchtbar langweilig zu schwanken. Man bekommt ständig neue Eindrücke, fährt von Land zu Land, Hafen zu Hafen. Alle paar Tage eine neue Zeitzone und ständige Wetterwechsel. Andererseits merkt man bereits nach einigen Tagen, dass selbst ein Containerriese gar nicht so groß ist und die Möglichkeiten beschränkt sind. Man muss das mögen, aber die meisten, die sich für ein Leben an Bord entscheiden, würden niemals etwas anderes tun wollen.
4. Haben Sie die berühmte Seefahrerromantik finden können?
Es ist schwer das zu sagen. Wenn man nur wenigen Wochen an Bord ist, dann erscheint einem alles spannend. In meinem Fall hatte ich ja auch viel Zeit einfach auf’s Meer zu schauen und Sonnenauf- und -untergänge zu geniessen. Vor der Reise hatte ich im Kopf die Vorstellung mit den Seeleuten im Hafen von Bord zu gehen und sie zu begleiten, wenn sie die Heuer in der Hafenkneipe versaufen und in jeder Stadt eine andere Frau haben. Ja, sowas habe ich tatsächlich geglaubt. Das war für mich Seefahrerromantik. Aber so ist es natürlich nicht. Die Liegezeiten sind dafür heute viel zu kurz, von Bord gehen die Seeleute nur selten. Aber es gibt schon viele romantische Momente. Wenn man in einen Hafen einläuft und dabei in fast 50m Höhe auf der Nock steht oder mitten in der Nacht auf hoher See, wo man einen unglaublichen Sternenhimmel sehen kann. Ich glaube, wenn man es will, findet man die Seefahrerromantik auch heute noch.
5. Wie haben Sie die Frachtschiffsreisen empfunden und was zeichnet diese aus Ihrer Sicht, auch für Passagiere, aus?
Für mich war es ein großartiges Erlebnis. Ich liebe das Meer und Schiffe und interessiere mich auch privat ein wenig für die Seefahrt. Daher war das alles sehr spannend für mich. Allerdings fühlte ich mich auch nicht wie ein Passagier, denn ich hatte ja eine Aufgabe an Bord. Daher wurde es mir auch nicht langweilig. Wer Entertainment braucht, der könnte sich nach wenigen Tagen langweilen. Ich war den ganzen Tag auf Achse und bin mehrmals täglich zwischen Maschine und Brücke hin und her gerannt. Ich würde es jederzeit wieder machen, aber ob es mir als reiner Passagier ohne weitere Aufgaben genauso viel Spaß gemacht hätte, kann ich nicht sagen.
6. Wie sind Sie fotografisch an die Reisen herangegangen und was wollten Sie unbedingt festhalten?
Ich habe das einfach auf mich zukommen lassen. Zu Beginn wusste ich ja nicht, was mich genau erwartet. Ich habe einfach an der Fersen der Mannschaft gehangen und alles dokumentiert, was mir vor die Linse kam. Dabei gab es viele Interessante, aber auch langweilige Dinge. Als Vorteil hat sich erwiesen, dass es drei Reisen waren. Die erste war sehr aufregend und da habe ich sehr viele bildgewaltige Aufnahmen gemacht. Zwischen den Reisen konnte ich die Ergebnisse in Ruhe auswerten und habe dann z.B. vor der letzten Tour festgestellt, dass mir einige Dinge fehlten, die wichtig sind, um die Geschichte zu erzählen. Mir fehlten z.B. Detailaufnahmen von Twistlocks. Fotografisch gar nicht so spannend, aber aussenstehende fragen sich oft, wie Container befestigt sind. Mir fehlten auch noch Aufnahmen vom Frachtraum. Für die letzte Tour hatte ich mir dann extra noch ein 15mm Objektiv geliehen, da ich mit meinem 21er zu wenig drauf bekam. Weiter zurück gehen ist halt keine Option auf einem Schiff.
7. Kam es zu fotografischen Herausforderungen?
Im südchinesischen Meer und im Pazifik war es sehr warm. Immer wenn ich nach draußen gegangen bin, ist die Kamera erst mal beschlagen. Das war manchmal nervig, wenn mich jemand gerufen hat, weil irgendwo etwas passierte. Dann musste ich erst warten oder putzen. Besonders bei Dunkelheit war es problematisch, dass ich kaum ein Stativ nutzen konnte. Spannend waren vor allem die Drohnenaufnahmen vom fahrenden Schiff aus. Ich hatte das ja zuvor noch nie gemacht. Beim ersten Flug hatten wir 17 Knoten drauf und etwa noch mal so viel Gegenwind. Beim Start war die Drohne sofort nach achtern weggegangen. Ich musste sie dann in den Sportmodus schalten, um sie wieder einzufangen. Da ging mir schon die Pumpe. Beim ersten Flug war ich so aufgeregt, dass ich komplett vergessen habe das Video zu starten. Es gibt davon leider keine Aufnahmen.
8. Was können Interessierte von Ihrem Bildband „Seafarers“ erwarten?
Einen spannenden Bildband über das Leben und die Arbeit an Bord mit 13 Kapiteln Text meiner Eindrücke und Anekdoten.
9. Wo kann man Ihre Werke noch betrachten und gibt es schon Pläne für weitere Projekte?
Es gibt eine Ausstellung bei Hapag-Lloyd in Hamburg. Am 22.9., 29.9. und 6.10. ist diese von 16-18h auch öffentlich zugänglich. Neue Pläne habe ich ständig im Kopf. Aber ich rede nicht darüber, da bei jeder Idee und jedem Projekt die größte Herausforderung ist, es auch zu Ende zu bringen.
10. Vervollständigen Sie bitte folgende Sätze:
Mein Lieblingsplatz an Bord der Containerschiffe… Auf dem Schornstein. Leider war ich nur einmal oben, aber das ist noch einmal ein anderer Blick als von der Brücke.
Ohne Kamera habe ich auf den Schiffen… gegessen.
Mein Lieblingsplatz in meinem Heimathafen Hamburg… egal wo, hauptsache Wasser.
Weitere Informationen unter: www.neunzehn72.de